Felsmalereien

Felsmalereien (Piktogramme) – wer denkt da nicht an Namen wie Altamira oder Lascaux oder an die Meisterwerke der Aborigenes in Australien!

Die Felsmalereien, Bilderschriften und Pektogramme der Baja California finden sich verteilt über die gesamte Wüstenhalbinsel. Tatsächlich gibt es auf der Halbinsel hunderte Fundstellen, die konzentriert im Gebiet der zentralen Gebirgszüge Sierra San Francisco, Sierra San Bor ja, Sierra San Juan und Sierra Guadalupe vor kommen. Viele sind wohl noch unentdeckt.

Als die Spanier die Baja California erreichten, befragten sie die Einheimischen zu den geheimnisvollen Zeichnungen aus roten, weißen und schwarzen Mineralfarben. Aber keiner wusste etwas über die prähistorischen Schöpfer. Es sollen Riesen gewesen sein, die jene bis zu fünf Meter großen Zeichnungen in Höhen bis zu acht Metern angebracht haben. Man geht zurzeit davon aus, dass die Zeich­ner Kakteenholz­gerüste verwendet haben, um die Zeichnungen so hoch anzubringen, dass man aus ihnen auf gewaltige Riesen schließen konnte. Die typische Farb­zweiteilung der dargestellten Personen wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Die meisten Zeichnungen findet man im Mittelteil der Baja California – insbesondere in der Region von Santa Marta und den Bergen von San Francisco. Die archäologischen Werk zeuge der Maler sind nur in Form von Malsteinen, Pfeilspitzen, Kratz­werkzeugen und geschnitzten Knochen der Nachwelt erhalten geblieben.

Seit 1993 sind die Zeichnungen durch die Aufnahme als „World Class Rock Art Site“ in der „World Heritage List“ (Erbe der Menschheit) der Vereinten Nationen (UNESCO) geschützt. Die Besichtigung der Zeichnungen setzt einen offiziellen Führer voraus. Warum sind diese Kunststätten so wenig bekannt? Sie liegen meist sehr unzugänglich, tief im Gebirge ver steckt, in Canyons und Palmenoasen und sind aus diesem Grunde schwer zu erreichen. Nur wenige, wie die Malereien im Canyon Santa Marta, können per Auto angefahren werden. Um zu den wenig berührten vorzustoßen, muss man mehrere Tage einkalkulieren sowie Fußwanderungen und Zeltübernachtungen auf sich nehmen. Ein anstrengendes und schweißtreibendes Unterfangen, das zudem einiges an Kosten für die Genehmigungen, die lokalen Führer, die Mulikarawane und die Verpflegung erfordert. Aber die Mühe lohnt sich, denn schon das Erlebnis der wilden Gebirgswelt mit der für Baja California typischen exotischen Pflanzen- und Tierwelt ist einmalig. Pfade existieren hier oftmals nicht und zu den hoch oben in den Felswänden liegenden Galerien klettert man über Stock und Stein.

Einmal am Ziel der Expedition angelangt, ist aber jegliche Anstrengung vergessen. In langer Reihe prangen die Motive – Dar­stellungen von Menschen und Tieren – an Decken und Wänden der Felsüberhänge und Halbhöhlen in bisweilen 10 oder mehr Metern Höhe. Leitern oder Gerüste waren nötig, um sie anzulegen. Forscher unterscheiden zwar unterschiedliche „Malschulen“, generell werden aber alle Figuren nur der Kontur nach ohne Einzelheiten ab gebildet. Die menschlichen Figuren z. B. sind immer mit nach oben gestreckten Armen dar gestellt. Vierbeinige Tiere rennen oder springen, Fische sieht man von der Seite und Vögel fliegend von unten. Es gibt Darstellungen von Hirschen, Dickhornschafen, Kaninchen, Wölfen, Geiern und sogar Walen. Zu den eindrucksvollsten Plätzen gehören sicherlich die im Canon Santa Teresa (Sierra San Francisco) gelegenen Höhlen Cueva de las Flechas, Cueva de La Musica und Cueva Pintada (auch Gardener Cave genannt). Letztere ist die größte bekannte Felskunst-Galerie Baja Californias: über eine Länge von 166 m finden sich Hunderte verschiedener Motive.

In der Farbgebung treten in den einzelnen Gebieten jedoch Unterschiede auf; so sind die Abbildungen der Menschen in der Sierra San Borja ganz in rot dargestellt, während sie in der Sierra San Francisco halb rot und halb schwarz gehalten sind. Manchmal tragen sie eine Kopfbedeckung oder einen Haarknoten. Die Farben gewannen die Künstler aus Naturstoffen: gemahlenem Gestein (rot, weiß und gelb) und aus Holzkohle und Asche (schwarz). Sie wurden mit Wasser verrührt und mit Agavepinseln aufgetragen. Dank des trockenen Klimas der Halbinsel hielten sie sich über die Jahrtausende.

Was aber weiß man von den Künstlern? Die Missionare des 18. Jahrhunderts dokumentierten zwar einige der Malereien, hatten aber für diese Werke des Teufels kein Verständnis. Erst relativ spät widmeten sich Forscher dem Thema, so als erster um 1900 der Franzose Leon Diguet, ein Angestellter der Kupfermine El Boleo in Santa Rosalía. Ab den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts erforschte der Amerikaner Stanley Gardener insbesondere die Malereien der Sierra San Francisco (nach ihm ist die Gardener Cave benannt) und hinterließ sein Werk „The Hidden Heart of Baja“. Henry Crosby, ein anderer Amerikaner, war ab 1972 aktiv. Seine intensiven Untersuchungen wurden im Magazin „National Geographic“ und im 1984 erschienenen Buch „The Cave Paintings of Baja California“ publiziert. In neuerer Zeit haben die Wissenschaftler des mexikanischen anthropologisch historischen Institutes (INAH) weitere Mosaik steine zum Verständnis dieser geheimnisvollen Abbildungen zusammengetragen. Während Crosby die aktive Kunst-Periode von 500-1500 n. Chr. ansetzte, erweiterte diese die INAH beträchtlich, nämlich von 3000 v. Chr. bis 1650 n. Chr. Dies würde bedeuten, dass die frühen Cochimi-Indianer, die zur Ankunft der Missionare im zentralen Niederkalifornien lebten, selbst unter den Malern gewesen sein oder diese zumindest gekannt haben müssten. Die Cochimi kannten aber weder die Bedeutung der Symbole noch die Technik des Malens – oder sie verheimlichten ihr Wissen vor den Missionaren. Laut ihrer Legenden hatten Riesen die Felswände lange vor der Ankunft ihrer Ahnen bemalt.

Die Künstler bleiben somit unbekannt, eben so wie die Gründe ihres Schaffens, und lassen der Fantasie des Betrachters freien Raum. Viel leicht waren die Orte des Malens alte Kultstätten, längere Aufenthaltsorte oder Stellen, in die Jagdtiere gehetzt wurden, da diese stets fliehend, mit offenem Maul, gleichsam nach Luft schnappend dargestellt sind. In der Cueva de Las Flechas (Höhle der Pfeile) sind einige Menschen symbolisch von Pfeilen durchbohrt, was als kriegerische Aktion oder Revierstreit zwischen lokalen Gruppen gedeutet werden könnte. Oder sind es indianische Schamanen und die Pfeile Metapher für Tod und Sterben? Im Bereich vieler Galerien fand man Reste von Lagern, Lagerfeuern, Zeremonial- und Begräbnisstätten, ebenso wie Werkzeuge und Waffen (Mahlsteine, Schaber, Schneidgeräte aus Knochen, Flechtwerk, Bögen und Pfeile). Die Schöpfer der Felsmalereien waren sicher Nomaden, die abhängig von den Zyklen der Natur und den Wanderungen ihrer Jagdtiere umherstreiften. Manche der abgebildeten Tiere findet man heute nur noch selten in der Baja California, was auf eine Änderung der Umweltbedingungen hinweist. Möglicherweise führte dies auch zum Verschwinden der Maler. Der gegenwärtig beste Schutz der Zeichnungen liegt in ihrer schweren Zugänglichkeit. Es bleibt zu hoffen, dass die faszinierenden Malereien in der Zukunft noch besser als bisher geschützt werden.